
Exakt um 15.15 Uhr an diesem ominösen 13. August 1977 stand es definitiv fest: Die BVB-Heimpremiere zur neuen Bundesliga-Saison gegen den MSV Duisburg fiel wortwörtlich ins Wasser. Die angestauten Wassermassen im Westfalenstadion hätten eine Kanu-Regatta ermöglicht, Jedoch kein Fußballspiel. Dortmunds Sportdezernent Erich Rüttel und Baudezernent Winfried Hinz verkündeten die Entscheidung.
Fußball-Deutschland lacht: Sandloch verhindert BVB-Gegentor
Stadionsprecher Walter Wolniewicz informierte parallel die Zuschauer. Gelächter auf den Rängen. Zähneknirschend verließ man das Stadion. Die Geschichte dieser skurrilen Blamage ist ein Klassiker schlechthin: Im Frühjahr 1977 verschwand der Stadionrasen auf Nimmerwiedersehen. Der Grund: Millionen Würmer hatten ohne Vorwarnung das Fressen von Graswurzeln zu ihrem Hobby erkoren.

Der Braunschweiger Danilo Popivoda wurde kurz vor Saisonende der prominenteste Leidtragende der unhaltbaren Situation: Sololauf durch die rasenfreie Sandwüste im BVB-Strafraum, Torwart Bertram gekonnt ausgespielt. Aber – kein Tor. Vielmehr im Sandloch hängen geblieben. Fußball-Deutschland lachte, Popivoda tobte. Die Konsequenz: Das abschließende BVB-Heimspiel gegen den 1. FC Köln fand im Gelsenkirchener Parkstadion statt.
Rasenpapst aus Dortmunds Partnerstadt Leeds wird eingeflogen
Und dann kam Mister John Escritt. Der Rasenpapst aus Dortmunds Partnerstadt Leeds. Der Gärtner der Königin. Erprobt in Wembley und Wimbledon. Seine überaus kühne These: „Ich brauche nur drei Monate, dann ist die Sache geritzt!“

Und Escritt schritt sofort zur Tat. Der gesamte Rasenbereich wurde ausgekoffert, eine besondere Sandmischung „komponiert“ und kilometerweit von Rhein und Ruhr herangekarrt. Natürlich war auch ein spezieller Samen-Mix erforderlich. Gesagt, gemixt. Mister Escritt war immer dabei. Mit Rasensaat und Zollstock – und mit seiner obligatorischen Zigarette im Mundwinkel.
Der Innenbereich des BVB-Stadions ähnelte einem See
Alle staunten Bauklötze. Denn John Escritt behielt recht. Der Rasen wuchs, das satte Grün lud förmlich zum Kicken ein. Der Saisonstart 1977/78 konnte kommen. Meinte man. Doch dann meldete sich Petrus zu Wort. Er ließ es vor dem Spiel gegen Duisburg tagelang wie aus Eimern regnen. Der Rasen war so dicht gewachsen, dass er kaum Wasser durchließ. Der Innenbereich des Stadions ähnelte einem See. Die Feuerwehr pumpte das Wasser ab. 24 Stunden vor dem Anpfiff entspannte sich die Situation. Doch dann öffneten sich später wieder die Schleusen.

Tage später erhielt der Rasen eine Spezialbehandlung in Sachen „Durchlässigkeit“. Er wurde regenfreundlich aufgeschlitzt. Löcher, in die man Sand einfüllte, wurden gebohrt. Das Spiel gegen Duisburg wurde zwei Wochen später nachgeholt – und endete mit einem BVB-Sieg. Ende gut, alles gut.