BVB-Trainer Terzic vor seiner größten Herausforderung Reus und die Frage nach der Taktik

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Knapp 60 Minuten dauerte nach der Landung am Londoner Stadtrandflughafen Stansted der Bustransfer ins Zentrum, was den Spielern von Borussia Dortmund noch einmal die Dimensionen der englischen Acht-Millionen-Einwohner-Metropole vor Augen führte. Immer wieder eine Herausforderung: der Linksverkehr auf der Insel. Was für die Busfahrt galt, zählt für den BVB auch am Dienstagabend (21 Uhr, live auf Amazon Prime) im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League beim FC Chelsea: nur nicht falsch abbiegen.

Die Autobahnausfahrt mit der Aufschrift „Viertelfinale“ hat der BVB nach dem 1:0 im Hinspiel vor drei Wochen in Blickweite. Das Resultat, mit dem Glück des Tüchtigen erarbeitet wie bei einigen Erfolgen der vergangenen Wochen, schiebt den Druck zu den Engländern, keinesfalls aber die Favoritenrolle in Richtung BVB. „Das Hinspiel“, sagt auch Sportdirektor Sebastian Kehl, „hat gezeigt, wie stark Chelsea sein kann.“ Leidenschaft und „der ein oder andere Extrameter mehr“ werden vonnöten sein. „Wir müssen uns zerreißen, eine großartige Leistung zeigen. Dann können wir weiterkommen.“

Kobel-Entscheidung fällt erst am Spieltag

In den schmucken Charterflieger im BVB-Design stiegen am Montagvormittag auch Donyell Malen und Torhüter Gregor Kobel, die gegen Leipzig kurzfristig ausgefallen waren. Der Schweizer hat in London einen Belastungstest absolviert, mit der endgültigen Entscheidung über seinen Einsatz will sich Trainer Edin Terzic allerdings bis wenige Stunden vor dem Spiel Zeit lassen. Allzu optimistisch blickte Kobel am Vormittag noch nicht drein, auf die medizinische Abteilung wird vor Ort bis zur Teamsitzung noch viel Arbeit zukommen. Um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, gehörten neben Kobel und Stellvertreter Alexander Meyer auch die Nachwuchstorhüter Luca Unbehaun und Silas Ostrzinski zum Reisetross. Für Flügelspieler Karim Adeyemi kommt die Partie nach seinem Muskelfaserriss wie erwartet zu früh.

Als der BVB vor drei Wochen durch Adeyemis Traumtor und mit einer geschlossen, um jeden Meter kämpfenden Mannschaft die Basis für ein mögliches Weiterkommen legte, schauten in Mats Hummels und Marco Reus zwei Protagonisten vieler rauschender Champions-League-Abende der Vergangenheit 90 Minuten von der Bank aus zu. Vor allem die Nicht-Berücksichtigung des Kapitäns sorgte seinerzeit für Aufsehen, durch den Verzicht auf Reus konnte Terzic das Zentrum mit drei zweikampfstarken Akteuren stärken – eine Variante, die er auch in ähnlicher Form in den Gruppenspielen gegen Manchester favorisierte

Der BVB steht in London vor einem Meilenstein

Kompaktes Verteidigen dürfte auch an der Stamford Bridge ein Schlüssel zum Weiterkommen darstellen. Die trotz der Malen-Rückkehr dünne Personaldecke in der Offensive mischt die Karten vor dem Rückspiel allerdings neu. Wie belastbar ist der Niederländer, wie voll ist der Tank bei Sebastien Haller? Reus wird auf einen Einsatz brennen. „Wir wissen“, meinte Terzic wie immer diplomatisch, „dass wir jeden einzelnen Spieler in Top-Form brauchen werden. Auch unseren Kapitän.“

Nach zwei von massiven Einnahmeausfällen geprägten Corona-Jahren wäre ein Vordringen in die Runde der letzten Acht nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen ein Meilenstein für die Borussia. Sie hat in den vergangenen zehn Jahren mehrfach bewiesen, den krass unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen im Vergleich zu internationalen Top-Teams trotzen zu können. Dortmunds Siegesserie in diesem Jahr wurde auch auf der Insel registriert und hat den Respekt vor den unbequemen Deutschen nur noch gesteigert: „Sie haben einen fantastischen Lauf“, meinte Chelsea-Trainer Graham Potter, er erwarte „ein großes, ein aufregendes Spiel.“

BVB-Gegner Chelsea steht mit dem Rücken zur Wand

Zehn Pflichtspielsiege in Serie geben Borussia Dortmund Grund genug, an der Stamford Bridge selbstbewusst aufzutreten. „Die Form“, meinte Terzic allerdings mit erhobenem Zeigefinger, werde am Dienstag nicht zwangsläufig den Ausschlag geben. Die Tatsache, dass Chelsea mit dem Rücken zur Wand steht, mache den Gegner umso gefährlicher. Für Kehl ist die Richtung dennoch klar: „Immer wieder mal in Europa ein Ausrufezeichen zu setzen“, meint der 42-Jährige, „das ist das, was wir uns auch vorgenommen haben.“ Am Dienstagabend wäre ein guter Zeitpunkt dafür.