
Der 29. Juni 1963 war ein sporthistorischer Tag. Zum letzten Mal wurde ein Deutscher Fußballmeister in einem „echten“ Endspiel inthronisiert. Von der kommenden Spielzeit an würde die Bundesliga die traditionellen fünf DFB-Oberligen ablösen und den Deutschen Meister in einer Hin- und Rückrunde ohne „Finale“ ermittelt. Der 1. FC Köln ging als Favorit in diese Begegnung vor 78.000 Besuchern im Stuttgarter Neckarstadion, musste allerdings mit Christian Müller auf den wohl gefährlichsten Angreifer verzichten.
Borussia Dortmund hatte sich in der Endrunde praktisch von Spiel zu Spiel gesteigert und zuletzt den TSV München 1860 in der „Roten Erde“ förmlich vorgeführt. Gerade Jürgen Schütz war „heiß“, würde diese Partie doch sein letzter Auftritt in Schwarz-Gelb sein. Danach wollte er sein Glück jenseits der Alpen bei AS Rom versuchen. Nach dem Anpfiff von Schiedsrichter Tschenscher aus Mannheim gibt es bei hohen Temperaturen zunächst ein verteiltes Spiel. Der BVB wirkt selbstbewusst, keineswegs verängstigt und von Trainer Hermann Eppenhoff hervorragend eingestellt.
Als Kölns Torhüter Ewert in der 8. Minute einen Ball von Cyliax parieren kann, bleibt das Leder weiter in den Reihen des BVB. Außenläufer Dieter „Hoppy“ Kurrat, eigentlich für das Thema „Abwehr“ zuständig, kommt halblinks in Schussposition und zieht überraschend aus 20 Metern ab. Flach schlägt der Ball ins Kölner Tor ein. Borussia jubelt. Das erste Tor ist genau zum richtigen Zeitpunkt gefallen.
Den Kölner Angriffen mangelt es an Durchschlagskraft. Borussia steht hinten ausgezeichnet. Keeper Bernhard Wessel ist in Top-Form. Seine Vorderleute, allen voran Hoppy Kurrat und Wolfgang Paul, haben einen ähnlich guten Tag erwischt und finden immer wieder Zeit, den eigenen Sturm anzukurbeln. Das Spiel besticht durch hohes Tempo und taktische Finessen. Beide Teams haben ihre großen Chancen, können diese aber bis zur Halbzeit nicht verwerten.
Der BVB knüpft nach dem Wiederanpfiff an seine guten Leistungen der ersten 45 Minuten an. In der 59. Minute bedient „Charly“ Schütz seinen Rechtsaußen Reinhold Wosab, der Gegenspieler Karl-Heinz Schnellinger in die Mitte zieht und aus gut 15 Metern mit dem linken Fuß fulminant in die kurze Ecke abzieht. Borussia Dortmund führt mit 2:0. Das ist schon so etwas wie die Vorentscheidung.
3:1 im Endspiel gegen den 1. FC Köln
Im Glutofen von Stuttgart geht es weiter. Die Borussen erkennen ihre große Chance, spielen sehr diszipliniert. Als Aki Schmidt in der 68. Minute Ewert düpiert und zum 3:0 einschießt, ist der 1. FC Köln ein geschlagener Favorit. Weltklasse-Verteidiger Karl-Heinz Schnellinger nutzt zwar noch ein Missverständnis zwischen „Stopper“ Wolfgang Paul und Torhüter Bernhard Wessel zum 3:1 (77.), das war es dann aber auch schon.
Mannschaftskapitän Willi Burgsmüller, nach einer Kopfverletzung mit Turban weiterspielend, nimmt stolz aus der Hand von DFB-Präsident Dr. Goessmann die Meisterschale entgegen. Die Namen der Deutschen Meister 1963: Bernhard Wessel; Willi Burgsmüller, Lothar Geisler; Dieter Kurrat, Wolfgang Paul, Helmut Bracht; Reinhold Wosab, Alfred Schmidt, Jürgen Schütz, Friedhelm Konietzka, Gerd Cyliax.
BVB verpasst das Double
Der Empfang in Dortmund lässt am nächsten Tag alle Herzen noch einmal höher schlagen. Hunderttausende stehen an den Straßen der City und auf dem „Neuen Markt“, um ihre Helden zu feiern. Besonders stolz sind Kapitän Willi Burgsmüller und Helmut Bracht, die an allen drei bisherigen Titeln des BVB beteiligt waren und damit eine einmalige Leistung vollbracht.
Selbst im Superjahr 1963 lief nicht alles nach Wunsch für den BVB. So hatte man allgemein gehofft, dass es nach dem Sieg in der Deutschen Meisterschaft mit dem erstmaligen Gewinn des DFB-Pokals das ersehnte „Double“ und damit ein echtes „Sommermärchen“ geben würde.
Aus dem vorbereitenden Trainingslager in Barsinghausen drang dann aber schlimme Kunde: Neben Wolfgang Paul hatte sich auch Timo Konietzka verletzt und fehlte ebenfalls im Endspiel gegen den Hamburger SV am 14. August 1963. Das war zu viel des Schlechten für die Westfalen, die in Hannover vor 70.000 sang- und klanglos mit 0:3 unterlagen.
Ein Uwe Seeler in Überform trumpfte ganz groß auf und schoss in der 30., 32. und 84 Minute praktisch unbehindert alle drei Treffer für seine Farben. Borussia wirkte überspielt und ohne Durchschlagskraft. Sommermärchen und Double ade! Darauf mussten die Schwarz-Gelben bekanntlich noch 49 Jahre warten, bis es 2012 endlich soweit war.