Lucien Favre blies die Backen auf, er ahnte in diesem Moment am Samstag nach dem Sieg gegen den VfL Wolfsburg wohl schon, dass ein guter Teil der Vorbereitung auf das mit Spannung erwartete Top-Spiel bei den Bayern (Samstag, 18.30 Uhr) auch dafür drauf gehen wird, eine tragfähige Abwehrformation auf die Beine zu stellen. Zwei Linksverteidiger waren ihm beim 2:0 weggebrochen, auf beide wird der BVB verzichten müssen, wenn in München womöglich die Titel-Frage geklärt wird.
Zwei bis drei Monate Pause
Besonders schlimm hat es Achraf Hakimi erwischt. Der Marokkaner, der nach Ein- und ungeplanter Auswechslung schon 28 Minuten später frustriert vom Platz humpelte und mutlos seine Schienbeinschoner Richtung Ersatzbank schleuderte, fällt längerfristig aus. Der 20-Jährige zog sich einen Mittelfußbruch zu, der seine erste Saison in Dortmund vorzeitig beendet. „Das“, gesteht Lizenzspieler-Chef Sebastian Kehl, „tut natürlich weh!“
Nach 28 Pflichtspielen, in denen Hakimi eine der Positiv-Erscheinungen dieser Spielzeit war, muss sich der 20-Jährige nun operieren lassen. Dies wird noch in dieser Woche in Madrid passieren, der BVB hat sich mit Hakimis Klub Real Madrid auf diese Vorgehensweise verständigt. Bei einer Regel-Ausfallzeit von acht bis zwölf Wochen bei dieser Verletzung könnte die Blessur sogar Einfluss auf die Sommer-Vorbereitung des Außenverteidigers haben.
So lange wird es bei Abdou Diallo wohl nicht dauern, auch wenn die Borussia die Wadenverletzung des Franzosen am Montag nicht näher spezifizierte. Diallo werde dem Team „aufgrund muskulärer Probleme zunächst“ fehlen, so die offizielle Verlautbarung. Wie lange, sei unklar. Zumindest in München aber kann Favre mit dem zuletzt immer links eingesetzten Innenverteidiger nicht planen.
Für Schmelzer spricht die Erfahrung
Alternativen sind rar für den Schweizer Trainer. Gegen Wolfsburg rückte Raphael Guerreiro eine Position nach hinten, das war allerdings eine taktische Umstellung: Beim Stand von 0:0 brachte Favre in Jacob Bruun Larsen eine zusätzliche Offensivkraft. Auch den Portugiesen sähe Favre allerdings eigentlich gerne weiter vorne. Somit könnte der ehemalige Kapitän aus der Versenkung auftauchen: Marcel Schmelzer musste sich lange Zeit in Geduld üben, er bekam in der Rückrunde nur beim Liga-Spiel gegen Hannover und Champions-League-Hinspiel gegen Tottenham einige Einsatzminuten. Das war Mitte Februar.
Seither trainiert Schmelzer nur, allerdings „vorbildlich“, wie Kehl betont. „Es ist keine einfache Situation für ihn, aber er gibt Gas. Man kann ihm die ganze Zeit über nichts vorwerfen.“ Für Schmelzer spricht vor allem die Erfahrung. Er weiß, was nötig ist, um in München zu bestehen.
Systemumstellung auf Fünferkette?
Schmelzer oder Guerreiro also, andere Alternativen liegen für die linke Seite nicht auf dem Tisch. Favre könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, sollte er eine Systemumstellung erwägen. Eine Dreierkette mit Dan-Axel Zagadou, Julian Weigl als Mittelmann und Manuel Akanji, gegen den Ball verstärkt durch die Außen Guerreiro (links) und Marius Wolf. Das wäre eine denkbare Variante. Doch ist das zu viel Risiko gegen die schnellen Bayern-Außen Gnabry und Coman? Und für allzu intensive Eingriffe ins taktische Gebilde ist Favre nun auch nicht bekannt.
Es wird in jedem Fall eine intensive Woche bei Borussia Dortmund. „Der Trainer wird genau hinschauen und sich seine Gedanken machen“, sagt Kehl. Es war auch eine Stärke des BVB bislang, sich nicht zu lange mit nicht zu ändernden Gegebenheiten aufzuhalten.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
