Die Kundin ließ im Sommer im Supermarkt ein paar Dinge im Beutel verschwinden, passierte die Kasse ohne Bezahlung. Das fällt vor Gericht noch in die Kategorie „Diebstahl geringwertiger Sachen“ und geschieht zumeist aus Geldnot. Doch dieser Fall liegt anders.
Die 57-jährige Angeklagte stiehlt immer wieder, verspürt einen nicht zu unterdrückenden Zwang, dies zu tun. Meist geht das mit Krisensituationen einher.
Diesmal, im Juni, lag der Vater im Krankenhaus, verstarb kurz darauf. Und die aufgewühlte Tochter konnte nicht anders, machte wieder lange Finger.
Drei offene Bewährungsstrafen
Besonders fatal: Sie steht unter laufender Bewährung, hat drei Haftstrafen auf Bewährung offen. Die 57-Jährige war erst ein paar Wochen vor dem aktuellen Fall in Recklinghausen wieder einmal verurteilt worden.
Insgesamt weist ihr Vorstrafenregister 32 Verurteilungen auf. Viele Freiheitsstrafen sind dabei, mal mit, mal ohne Bewährung. Mehrfach hat die Frau schon in Haft gesessen, genützt hat das alles nicht.
„In Krisen habe ich mich nicht unter Kontrolle“, schilderte die Angeklagte ihr Los, im Volksmund Kleptomanie genannt. „Ich habe dann ein sehr schlechtes Gefühl, nach dem Diebstahl geht es mir besser.“
Erste positive Zwischenfälle
Was nicht von Dauer ist, was die Rückfälle zeigen. Zwei Jahre habe sie auf einen Platz in einer Tagestherapie warten müssen, sagte die Krankenpflegerin aus. Jetzt, vor drei Wochen, habe sie endlich einen Platz erhalten.
Die erste Zwischenbilanz falle positiv aus, der „innere Druck lasse nach“, so die Frau, für die durch die neue Anklage viel auf dem Spiel stand.
Denn allen Beteiligten, Strafrichter sowie Staatsanwalt und Verteidiger, war klar, dass es eine vierte Bewährungsstrafe nicht geben könne.
„Doch eine Haftstrafe ohne Bewährung wäre äußerst kontraproduktiv“, fasste der Richter zusammen. All die vorherigen Haftstrafen hätten keine Wirkung gezeigt. Doch nun zeichne sich durch die Therapie ein Hoffnungsschimmer ab.
Geldstrafe hieß die Lösung, die der Hoffnung, die psychische Problematik in den Griff zu bekommen, nicht im Weg stehen würde.
Geldstrafe als eine Chance für die 57-Jährige
Und so plädierte der Staatsanwalt auf eine Geldstrafe, schlug 120 Tagessätze zu je 20 Euro vor. Der Verteidiger wirkte erleichtert, der Richter reduzierte die Tagessatz-Anzahl in seinem Urteil auf 90, was einer Geldstrafe von 1800 Euro entspricht.
Mit diesem Urteil steht einer Fortsetzung der laufenden Therapie nichts im Wege. Wobei zu hoffen bleibt, dass die Begründung des Urteils akzeptiert wird und die anderen Gerichte ihre laufenden Bewährungsstrafen nicht doch noch widerrufen.
Ich bin seit etlichen Jahren als freie Mitarbeiterin für die Lokalredaktion tätig, besuche regelmäßig Gerichtsverhandlungen, um darüber zu berichten, und bin neugierig auf alles, was in Castrop-Rauxel passiert.