Podiumsdiskussion: BKCR-Schüler befragen Politiker
Schulpolitik und Arbeitslosigkeit
Unmittelbar vor der Landtagswahl in NRW haben sich Politiker verschiedener Parteien am Berufskolleg Castrop-Rauxel den Fragen der Schüler gestellt. Was die Schüler bei der Podiumsdiskussion am Dienstagmorgen wissen wollten und wie die Politiker antworteten, erfahren Sie hier.
Heinz Josef Mußhoff (FDP, l.) und Mario Krüger (Grüne) stellten ihre Positionen und Argumente zu vielen Bildungsthemen dar.
Was wollen Berufsschüler zwischen etwa 18 und 22 Jahren von Politikern wissen, die sich in elf Tagen zur Landtagswahl stellen? Wir haben uns am Dienstagmorgen im Berufskolleg ihre Fragen angehört, die Antworten der Politiker - und dabei das Verhalten aller sechs Direktkandidaten auf dem Podium beobachtet. Eine Analyse.
Unsere Beobachtungen:
Die Aufstellung von links nach rechts hatte mit den politischen Lagern nichts zu tun. Aber SPD neben den Grünen und der CDU: Das zeigt auch die vielleicht zentralen Regierungs-Optionen für NRW auf. Praktisch auch vor dem Hintergrund, dass Lisa Kapteinat (SPD) zwischendurch mal mit Mario Krüger (Grüne) tuschelte, mal mit Ulrich Meick (CDU).
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Podiumsdiskussion zur Landtagswahl im Berufskolleg
Elf Tage noch bis zur Landtagswahl in NRW. Das Berufskolleg in Castrop-Rauxel mit seinen rund 2500 Schülern hatte dazu am Dienstag die Direktkandidaten des Wahlkreises zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Vor rund 150 Schülern, die das Abitur oder Fachabitur anstreben, sprachen die sechs Kandidaten über vor allem über bildungs- und ausbildungsrelevante Fragen und ihre Positionen zu G8, gemeinsames Lernen im Rahmen der Inklusion, Ausbildungsplätze und mehr.
Meick stützte sich bei seinen Bemerkungen meist auf seinen Ellbogen auf dem Stehtisch ab – nach vorne gewandet, offensiv –, sagte aber in seinen ersten beiden Statements „Mein Damen und Herren“, was bei den Schülern eher befremdlich ankam. Anders Dirk Knüvener, selbst erst 32 Jahre alt: Er fand eine kumpeligere Ansprache, redete wie der Moderator Maurice Busch (selbst Schüler) eher von euch und ihr – und erntete bei seinen Statements mehr Applaus als die anderen.
Aussagen am Rande:
Während Heinz Josef Mußhoff (FDP) feststellte, dass er vier Tage älter ist als sein Nebenmann Mario Krüger (Grüne) – was den aber kalt ließ –, sagte Krüger zu seinem mathematischen Hang: „Viele sagen Mario, die Festplatte, zu mir.“ Dirk Knüvener erzählte, dass er vergangene Woche seine Bachelorarbeit abgegeben habe – vermutlich, um auch in dieser Hinsicht auf der Welle der Schüler zu funken.
Uwe Fischer (Piraten) gab in seiner Vorstellung offensiv an, dass er alleinerziehender Vater mit drei Kindern sei, und bezog sich bei vielen Themen auf seinen ältesten Sohn, während Ulrich Meick seine Tochter Katharina ansprach, die schon in ihrer Kindheit im Rollstuhl sitze, heute als Studentin aber beweise, dass behinderte Menschen.
Thema 1: Ausstattung an Schulen
Lisa Kapteinat rekurrierte auf das Programm „Gute Schule 2020“, mit dem man eine gute Basis geschaffen habe, um hier auch konkret das Werkstattgebäude 6 des Berufskollegs zu renovieren. Ein Punkt für Lokalkompetenz und Ortsbezug – da hat sie Standortvorteile gegenüber den Waltroper und Dortmunder Kontrahenten auf dem Podium. Schnell aber ging es dann um Schulnoten und andere Themen.
Hier punktete Ulrich Meick mit Erfahrungen aus dem eigenen Leben (s. oben). Aber Rückfragen von den 150 Schülern gab es auf keinen der Redebeiträge, die vor allem davon sprachen, dass der Grundgedanke von Inklusion richtig und wichtig sei, aber man dafür auch das entsprechende Personal an den Schulen brauche.
Thema 3: Was kann Politik für mehr Ausbildung in der Wirtschaft tun?
Zwei Linien taten sich auf: Krüger meinte, es sei nicht Sache der Landes-, sondern der Bundespolitik, aber eine Ausbildungsplatzabgabe von Unternehmen, die nicht ausbilden sei der richtige Weg. Kapteinat schloss sich da an, brachte mehr Praktika, mehr Praxisbezug als Argument ins Spiel – dem alle anderen Redner folgten.
Kontrapunkt Knüvener: „Wir wollen nicht Unternehmen bestrafen, die nicht ausbilden, sondern die belohnen, die es tun.“ Er bekam als einziger Redner Applaus, eher Heinz Josef Mußhoff das Thema New Park eröffnete, auf das später alle noch gezielt eingingen.
Thema 4: Warum ist die Arbeitslosenquote in NRW so hoch? (Schüler Robin Tongoc)
Mario Krüger eröffnete mit dem harten Strukturwandel, der Probleme bereite, und konterte, man brauche einen sozialen Arbeitsmarkt, der „Wertschätzung statt bloßer Sozialleistungen“ offeriere.
Lisa Kapteinat meinte, sie habe mit Menschen aus Hartz-IV-Familien gesprochen, die gesagt hätten: „Ich mache den 800. Gabelstaplerführerschein...“ – dabei komme es vor allem darauf an, sich an die Regelmäßigkeit eines Berufes zu gewöhnen.
Meick meinte auch, man brauche Arbeit statt Sozialhilfe. „Und ja: Das kann auch mal belastend sein. Aber man muss den ein oder anderen auch zu seinem Glück zwingen.“
Thema 5: Ist die Rückkehr zu G9 die richtige Strategie?
Knüvener meinte: „Klar, wir müssen euch die Zeit geben, den Wettbewerbsdruck und den Schulstress nehmen.“ Er forderte mehr Praxisbezug: „Dinge, die uns interessieren, die machen uns auch nicht krank“, so seine These – „uns“ durchaus explizit als vereinnahmendes Pronomen gemeint. Fischer meinte, G8 sei „vielleicht für die Unternehmen gut, aber für die Schüler sch***e. Flexibilität ist wichtig – und dann von mir aus auch G8, G9 oder G10 parallel.“
Meick gestand, dass er „in diesem internen Rahmen“ mal was anderes sagen könne, als die Parteilinie zu vertreten: „Ich bin für G9 – das Leben ist noch hart genug. Meine Partei ist für ein Wahlrecht zwischen G8 und G9. Ich habe da aber gewisse Zweifel.“
Lisa Kapteinat ergänzte: „Ich selbst war glücklich mit G9, aber habe auch mit Schülern gesprochen, die gesagt haben: Geil, nach dem Abi kann ich so noch ins Ausland gehen oder ein soziales Jahr machen – oder einfach etwas studieren, bei dem ich noch nicht weiß, ob es das richtige ist.“
Sonderthema: Pro New Park - Spitzentechnologie bringt neue Arbeitsplätze
Das Thema kam auf, als Mußhoff (FDP) auf die Frage einging, was man tun könne, um mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. „Mit New Park hätten wir Chancen in der Region“, sagte der Liberale, „aber er wird von verschiedenen Konstellationen verhindert.“ Von den Schülern gab es Applaus für die Aussage – aber später auch eine gezielte Nachfrage, um was es dabei eigentlich genau gehe.
Lisa Kapteinat streute das Thema als zweite Rednerin bei der Frage nach der Arbeitslosenquote ein. „Auch ein New Park, der kommt, wäre wünschenswert“, sagte sie und erntete ein Tischklopfen von Mußhoff („Hört, hört!“) und von Meick. Der sagte: „Danke für Ihr Bekenntnis zu New Park! Das höre ich von Ihnen zum ersten Mal.“
Dann ging er selbst auf das Projekt ein, das eine Riesenchance für die Region sei. „Damit bekommen wir zwar nicht die Menschen in Arbeit, über die wir gerade gesprochen haben“, so Meick, der damit Bezieher von Arbeitslosengeld II meinte. „Der New Park wird nicht entstehen, wenn die B474n nicht gebaut wird“, so Meick, adressiert ganz explizit an die Castrop-Rauxeler unter den Schülern: „Sie führt auch über das Stadtgebiet hier – also gehen Sie nach Hause und sagen Sie es weiter!“
Es handle sich, erklärte er auf die Nachfrage eines Schülers, um einen Standort für Spitzentechnologien, für die High-Tech-Industrie. Es gehe um Fertigung, aber „dazu gibt es auch Betriebe, die Brainstormings veranstalten“. Es sei „nicht das klassische Industriegebiet, wie wir es kennen“. Von 8000 bis 9000 Arbeitsplätzen allein auf dem ersten Dattelner Entwicklungsabschnitt sprach Meick.
Sonderthema: Contra New Park - Industrie in der Pampa kann auch schief gehen
Uwe Fischer (Piraten) stand dem skeptisch gegenüber: „Eine Industrie in der Pampa – das kann funktionieren, ob es das wirklich der richtige Weg ist, ist fraglich.“
Mario Krüger (Grüne) bezog ganz klar dagegen Stellung: „New Park wird mir zu rosig gemacht“, meinte er. „Die Fläche ist einst für Großbetriebe wie BMW freigehalten worden. Heute haben wir genug Industriebrachen in der Region, zum Beispiel Opel Bochum. Es besteht keine Notwendigkeit, das ins Grüne zu bauen. Das Gelände hat 30 Millionen Euro gekostet, der Kreis Recklinghausen ist dafür in Vorleistung gegangen. Der Landesrechnungshof und das renommierte Gutachterbüro PBC haben klar gesagt: Lasst besser die Finger davon!“