Damit Kühe Milch geben können, müssen sie kalben. Das gilt auch für die Hochleistungskühe von Friedrich und Christoph Steinmann am Lippweg, wo im Schnitt pro Kuh und Jahr ein Kalb zur Welt kommt. Männliche Kälber werden für die Bullenmast verkauft, Steinmanns weibliche Kälber wachsen zu Milchkühen heran - entweder im eigenen Betrieb oder in fremden Aufzuchtbetrieben.
Das, was Steinmann als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Recklinghausen gerade beobachtet, betrifft seinen eigenen Betrieb also weniger, treibt aber viele seiner Kollegen derzeit zur Verzweiflung: Im Oktober bekamen sie für ein Kuhkalb im Mittel nur noch 8,49 Euro. Im Mai lag der Preis noch bei gut 25 Euro. Auch das war schon erheblich weniger als in den vergangenen Jahren.
Dieser Preis hat nichts mehr mit Wertschätzung der Tiere zu tun
„Das ist echt schlimm“, sagt Friedrich Steinmann. Wirtschaftlich zum einen, aber auch, was die Wertschätzung der Tiere angehe. „Die 8,48 Euro sind ein rechnerischer Mittelwert“, erklärt der Landwirt, „manchmal gibt’s auch mehr pro Kalb, aber durchaus auch weniger. Landwirte sind manchmal schon froh, wenn die großen Mastbetriebe ihnen die Kuhkälber überhaupt abnehmen.“ Da habe es auch schon 0-Euro-Transaktionen gegeben.
Diese „bedauerliche Markterscheinung“ hat, so erklärt es der Kreis-Landwirt, mit der Blauzungenkrankheit zu tun, die seit einem Jahr in Südwestfalen grassiere.
Etliche Veterinärämter haben wegen dieser Infektionskrankheit ein Export-Verbot verhängt. Transporte nach Spanien oder Niederlanden fallen also aus, schnell baut sich ein Überangebot auf. Und so verfällt der Preis, übrigens auch der für Bullenkälber.
Preisverfall betrifft vor allem die Schwarzbunten
Für schwarzbunte Bullenkälber bekamen Bauern nach Auskunft des Portals „agrarheute“ kaum mehr 50 Euro, während es im Mai noch rund 100 Euro waren. Die Steinmanns bekommen für den männlichen Nachwuchs ihrer Hochleistungsmilchkühe immerhin noch 80 Euro. Die deutschen Schwarzbunten erzielen diese Preise gerade nicht.
Milchbauern kommen aus diesem Dilemma derzeit nicht raus: Rund 100 Euro kostet die „Erzeugung“ eines Kälbchens, das für die Milchleistung der Mutterkuh unverzichtbar ist. Ein gutes Geschäft sei der Verkauf der überschüssigen Kälber eh nicht, beklagt Friedrich Steinmann, aber derzeit sei es ein echtes Verlustgeschäft. „Ich hoffe nur“, sagt Steinmann mit einem sorgenvollen Blick aufs Tierwohl, „dass die wirtschaftlichen Probleme nicht zu einer nachlässigen Versorgung der Tiere führen.“
Der Kalbfleischpreis wird trotzdem nicht sinken
Wer übrigens glaubt, der Preisverfall bei lebenden Kälbern wirke sich für den Endverbraucher auf den Kalbfleischpreis aus, ist schief gewickelt. Der Kaufpreis für Kalb falle in der Fleischvermarktungskette so wenig ins Gewicht, klärt Friedrich Steinmann auf, dass er sich eher nicht auf den Kilopreis für den Kalbsbraten auswirken werde.
Geboren und geblieben im Pott, seit 1982 in verschiedenen Redaktionen des Medienhauses Lensing tätig. Interessiert an Menschen und allem, was sie anstellen, denken und sagen.
