
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat bei einem Besuch der Zeos, der Zentralen Ansprechstelle für die Verfolgung der Organisierten Kriminalität in Nordrhein-Westfalen, vor Organisierter Kriminalität vor allem aus den Niederlanden gewarnt.
Dort würden Richter, Staatsanwälte, Polizisten und Journalisten von Kriminellen bedroht und ermordet – was in Deutschland nicht passieren dürfe. „Diese Kriminalität aus den Niederlanden darf nicht zu uns überschwappen“, so Faeser. Vor allem in Form von Geldautomatensprengungen ist sie aber in NRW schon seit einiger Zeit deutlich zu spüren.
Im Schnitt wurde 2022 fast jeden zweiten Tag ein Geldautomat in NRW gesprengt. Die Zahl der Sprengungen hatte in dem Jahr mit 182 Fällen einen Höchststand erreicht. In ganz Deutschland waren es sogar fast 500 Sprengungen.
Die Täter in NRW kommen oft aus dem Ausland, vor allem aus den Niederlanden. Hinter einem Großteil der Taten, die aufgeklärt werden konnten, steckt eine Szene von 400 bis 500 Männern aus den niederländischen Ballungszentren Utrecht, Amsterdam und Rotterdam. Wegen ihrer Vorliebe für schnelle Fluchtwagen der Marke Audi werden sie auch als „Audi-Bande“ bezeichnet.
Maßnahmen gegen Geldautomatensprengungen
Schon zu Beginn des Jahres hatten Banken in NRW angekündigt, Maßnahmen gegen die vielen Sprengungen vornehmen zu wollen. Bei den Sparkassen in Westfalen und Lippe werde es Ende des laufenden Jahres bei 80 Prozent der Standorte eine Nachtschließung geben, hieß es damals.
Zu den Maßnahmen gehörten je nach Standort Vernebelungsanlagen, Geldeinfärbesysteme, mechanische Sicherungen wie Rollgitter und auch neuartige Pavillons mit massiver Stahlbetonkonstruktion, wie die Sparkassenverbände betonten.
Für das Ausrüsten der Geldautomaten mit Farb-Kleb-Patronen hat sich auch Innenministerin Faeser ausgesprochen. „Die Banken in den Niederlanden haben sehr schnell reagiert mit dem Einfärben und Verkleben des Geldes“, sagte Faeser am Donnerstag in Düsseldorf. Deshalb sei es dort gelungen, das Problem rasch in den Griff zu bekommen.
Faeser zeigte sich überzeugt: „Wenn das in Deutschland umgesetzt würde, würde das auch hier zu großen Erfolgen führen.“ Warum die Banken in Deutschland die Patronen bislang kaum eingesetzt haben, müssen man die Banken fragen. Zuletzt sei von Lieferschwierigkeiten die Rede gewesen, sagte Faeser. Sie habe Ende des Monats ein Gespräch mit der Finanzwirtschaft.
Oberstaatsanwalt warnt vor neuer „Waffe“
Der Leiter der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Daniel Vollmert, sagte beim Besuch Faesers, bei Geldinstituten, die die Farb-Kleb-Patronen in Deutschland mittlerweile einsetzten, sei sofort ein deutlicher Rückgang der Sprengangriffe zu beobachten.
Der Oberstaatsanwalt warnte vor einer neuen „Waffe“ der Automatensprenger: Diese verwendeten für ihre Attacken neuerdings in Italien hergestellte Feuerwerkskörper namens „Cobra6“, die dort etwa zum Auslösen von Lawinen produziert würden. Sie besäßen eine Sprengkraft, „um Menschen regelrecht in Stücke zu reißen“.
Inzwischen seien in den Niederlanden bereits Mordanschläge mit ihnen verübt und in Wohnungen eingebrochen worden. In Ermittlerkreisen besteht die Sorge, dass das auch in NRW passieren könne. „Die Gefahr ist real“, heißt es. Ermittlungen zufolge würden die Sprengkörper, die nur an Personen wie Sprengmeister verkauft werden dürfen, von Deutschland aus illegal vertrieben.
Verfolgung der Organisierten Kriminalität in NRW
Die Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten – kurz Zeos – besteht in NRW seit September 2020. Vier Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Bielefeld, Bochum, Düsseldorf und Köln gehen dabei vor allem gegen Organisiertes Verbrechen vor.
Zeos geht unter anderem gegen Mafia-Gruppen, Geldautomatensprenger und Clan-Kriminalität vor und nimmt ihnen ihr Vermögen weg. Gegen einige Clans ist die Spezialabteilung auch schon vorgegangen – etwa gegen den Al-Zein-Clan im Zusammenhang mit der Villa in Leverkusen.
rej/dpa