
„Ich hatte schon vor fünf Jahren in den USA miterlebt, wie 40 Springer so einen Nachtsprung absolviert hatten“, erinnert sich der Recklinghäuser. Doch zurück in Deutschland schien zum damaligen Zeitpunkt ein solches Event undurchführbar. „Es war damals einfach zu gefährlich“, erläutert der Recklinghäuser. Doch der technische Fortschritt und die besonderen Gegebenheiten am Flugplatz Loemühle mit Fallschirmsport Marl e.V. als Veranstalter ließen vor gut einem Jahr die Idee bei Exner erneut aufkeimen.
Fallschirmspringer lassen nächtlichen Himmel bunt erstrahlen




















Zudem bestand die Chance, Geschichte zu schreiben: Ein Weltrekord war bisher nicht manifestiert. Die Springer in den USA hatten schlichtweg die Bürokratie übersehen. So muss ein Schiedsrichter des Verbandes vor Ort sein, die Figuren müssen im Vorhinein bestimmt werden, das ganze muss in der Luft gefilmt werden und hinterher auch für den Schiedsrichter auf Film nachweisbar sein.
Videomann vom österreichischen Red Bull-Team
Was sich nach einer spontanen Idee anhörte, entpuppte sich als Mammutaufgabe. Mit Thomas Müller, Markus Schwarz, Joe Ilyin-Grealy, Christian Kleinheinz, Julian Bartel, Dominic Leser, Rafael Schwaiger, Johannes Heptner, Sebastian Robak, Max Martin, Sascha Weiß, Joß Schmid und Lion Trautvetter gewann Philipp Exner die wohl besten (Mit-) Springer Deutschlands für dieses Event. Und er musste nicht einmal lange fragen: „Ich hatte am Telefon die Frage nicht mal ausgesprochen, da bekam ich von allen schon die Zusage. Mit Videomann Wolfgang Lienbacher konnte zudem ein weiterer Top-Experte gewonnen werden. Lienbacher filmt normalerweise für das österreichische Red-Bull-Team.

Von der Idee bis zur Ausführung war es aber noch ein langer Weg. Unzählige Genehmigungen waren einzuholen, ein gemeinsamer Termin für die 14 Springer, den Kameramann und das THW musste gefunden werden. Und über Wochen präparierte Phillip Exner in der Lockdown-Zeit das Beleuchtungs-Equipment, das anschließend viermal im Windtunnel in Bottrop getestet wurde. Auch Sponsoren galt es zu finden, denn gut 10.000 Euro plus Flugkosten waren für das Unternehmen aufzubringen.
Himmel über Marl nahezu wolkenfrei
Trotz der akribischen Vorbereitung war das Wetter nicht planbar. Und das hätte sogar zum Scheitern oder zur Absage führen können. Doch der Himmel über Marl präsentierte sich zur Erleichterung der Organisatoren nahezu wolkenfrei.

Am Donnerstagabend war es dann so weit: Um 22.20 Uhr hob Delta – Foxtrot – Sierra – Romeo – Tango, so die Kennung der gecharterten Cessna 208, in die grenzenlose Freiheit über den Wolken ab. Grenzenlos? Nicht ganz, denn bei der angepeilten Sprunghöhe hat nicht etwa der Tower in Loemühle, sondern die Deutsche Flugsicherung das Sagen. Schon bei der ersten Vorbesprechung am Nachmittag machte Organisator Philipp Exner klar: „4000 Meter sind garantiert, ob wir höher steigen dürfen, liegt nicht in unserer Hand“. Das entscheidet allein das Radarcenter Langen bei Frankfurt. Ein ungünstiger Moment, eine angespannte Verkehrslage am Nachthimmel, könnten den Springern einen Strich durch die Rechnung machen.
Erster Rekordsprung aus 4600 Metern
Doch das Glück ist dem 15-köpfigen Team von Anfang an gesonnen. Nicht nur das Wetter spielt mit. Auf 4600 Meter darf die einmotorige Turboprop-Maschine schon am ersten Abend steigen. Wertvolle Sekunden für die bevorstehende schwierige Aufgabe mit der Formation im Headdown sind somit gewonnen. Nach gut 20 Minuten ist die Sprunghöhe erreicht: Schon im ersten Anlauf klappt alles wie am Schnürchen und Schiedsrichterin Gundel Klement gibt nach der Auswertung des Videomaterials am Computer grünes Licht: Der Weltrekord im „14 Way Headdown at Night“ ist geschafft!

Wird auch der zweite Rekord, diesmal im „Freefly Headdown Sequential (14 -way – 3 Punkte) gelingen? Eine echte Herausforderung: Drei vordefinierte Figuren sollten am Nachthimmel gebildet werden. Ernüchterung nach dem ersten Versuch. Hier gelang der Crew fast nichts. Doch Aufgeben zählt nicht! Der zweite Anlauf. Hier lief es scheinbar optimal. Alle drei Figuren konnten problemlos gebildet werden. Doch Schiedsrichterin Gundel Klement hatte bei der Auswertung des Filmmaterials ein Problem. Obwohl die letzte Figur fast 3 Sekunden Bestand hatte, fand sich kein Bild, auf dem alle Griffe der Springer gleichzeitig zu sehen waren. Zwar konnte man den Erfolg mit den Kameras der Springer und einer 360-Grad-Kamera nachweisen, doch ob das der amerikanische Oberschiedsrichter der FAI akzeptieren würde? Das Team war pessimistisch und so wurde schon eine Wiederholung für den dritten Tag geplant. Kurz vor dem Start am Samstagabend klingelte das Telefon und der Oberschiedsrichter persönlich bestätigte die Gültigkeit des Weltrekords.
Pyrotechnik spielt beim 3. Rekord nicht mit
Mit dieser freudigen Nachricht im Gepäck hätte es fast noch zum dritten Weltrekord gereicht, diesmal im „14 Way Headup at Night“. Aber im ersten Versuch machte die Pyrotechnik den Springern einen Strich durch die Rechnung. Mit zwei Weltrekorden im Rücken und der Tatsache, dass alles bislang glattgelaufen war, wurde der Versuch nur noch „just for fun“ wiederholt.

Übrigens waren die Rekord-Fallschirmspringer nicht alleine: Mit Ingmar Kraft, Tobi Scherrinsky und Marcel Peters, sowie Kameramann Helmut Tacke nutzen auch vier „Wingsuiter“ den Marler Nachthimmel. Ihre weißen Flügelkombis waren mit LED´s modifiziert und sorgten somit „innenbeleuchtet“ für einen farbenprächtigen Auftritt.