
Der Bundestag soll deutlich kleiner werden. Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP will, dass das Parlament von derzeit 736 Sitzen auf dann 630 verkleinert wird. Den entsprechenden Beschluss dazu soll der Bundestag am Freitag (17. März) fassen.
Die Linke und vor allem die CSU laufen entrüstet Sturm gegen diesen Plan. Stoppen werden sie ihn damit zunächst aber wohl kaum, denn: Im Bundestag reicht bei diesem Thema eine einfache Mehrheit und die scheint durch die Ampel-Mehrheit gesichert.
Die Gründe für die aktuelle Größe des Bundestags
Dabei stemmen sich weder Linke noch die CDU/ CSU generell gegen eine Verkleinerung, aber alle Versuche in der Vergangenheit, eine einvernehmliche Lösung hinzubekommen, scheiterten bisher. Wo genau ist eigentlich das Problem?
Die aktuelle Größe hängt vor allem mit den vielen Überhang- und Ausgleichmandaten und der Grundmandatsklausel zusammen. Um das zu verstehen, muss man sich klar machen: Welche Partei mit wie vielen Abgeordneten im Bundestag sitzt, entscheidet sich ausschließlich nach den bei der Wahl abgegebenen Zweitstimmen. Wenn also die Parte XY bei einer Wahl 10 Prozent der Zweitstimmen erhält, bekommt sie auch 10 Prozent der Sitze.
Eigentlich hat der Bundestag nur 598 Sitze, aber…
Klingt einfach, ist aber komplizierter, denn: Zum einen gibt es ja noch die 5-Prozent-Hürde. Eine Partei, die darunter liegt, zieht nicht in den Bundestag ein – es sei denn, sie gewinnt mindestens drei Direktmandate. Und damit wären wir bei der zweiten großen Hürde, den Direktmandaten.
Eigentlich hat der Bundestags nämlich eine festgelegte Größe von 598 Abgeordneten. Diese Zahl ergibt sich dadurch, dass ganz Deutschland in 299 Wahlkreise aufgeteilt ist. In jedem dieser Wahlkreise wird mit der Erststimme ein Direktkandidat gewählt. Er oder sie zieht auf jeden Fall in den Bundestag ein. Über die Zweitstimme werden weitere 299 Plätze an die einzelnen Parteien verteilt, je nach dem Anteil ihrer Zweitstimmen.
Überhang- und Ausgleichsmandate
Und damit nähern wir uns dem Kernproblem: Wenn eine Partei XY mehr Direktkandidaten in den Bundestag entsenden kann, als ihr nach den Zweitstimmen in einem Bundesland zustehen würde, nennt man das „Überhangmandate“. Das war in der Vergangenheit regelmäßig bei der CSU der Fall.
Damit wäre die Partei XY überproportional stark im Bundestag vertreten. Um das Verhältnis der Parteien im Parlament wieder ins rechte Lot zu rücken, erhalten die anderen Parteien daher als Ausgleich zusätzliche Sitze, die sogenannten „Ausgleichsmandate“.
Die Grundmandatsklausel
Und dann gibt es da noch die bisher geltende sogenannte Grundmandatsklausel. Sie besagt: Wenn eine Partei bei der Wahl zwar keine 5 Prozent, aber mindestens drei Direktmandate erzielt, gilt: Von dieser Partei ziehen nicht nur die drei Direktkandidaten in den Bundestag, sondern die Partei zieht mit so vielen Abgeordneten ins Parlament wie es ihrem Zweitstimmenanteil entspricht.
Aktuelles Beispiel: Bei der letzten Bundestagswahl hat die Linke zwar nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen erhalten, aber drei Direktmandate errungen und sitzt daher jetzt mit 39 Politikerinnen und Politikern im Parlament. Die CSU schaffte 2021 bundesweit zwar 5,2 Prozent der Stimmen, das ist aber kein so dickes Polster, dass ausgeschlossen wäre, dass bei einer neuen Wahl die CSU auch unter die 5-Prozent-Marke rutscht.
Sowohl die Grundmandatsklausel als auch die Überhang- und Ausgleichmandate sollen abgeschafft werden. 630 Sitze sollen künftig die feste Größe sein.
Anlass der seit Jahren geführten Diskussion war die eigentlich von allen Politikerinnen und Politikern geteilte Einschätzung, dass der Bundestag zu groß ist. Aber stimmt das auch? Wir haben in den 46 Staaten Europas nachgeschaut – mit überraschenden Erkenntnissen.
Dabei ist es schon so, dass der deutsche Bundestag mit 736 Abgeordneten das mit Abstand größte europäische Parlament ist. Selbst die nächstgrößten Großbritannien (650), Türkei (600) und Frankreich (577) kommen auch nicht annähernd an die Zahl der deutschen Sitze heran. Aber wie ist das zu bewerten?
Ein guter Indikator ist die Frage: Wieviel Einwohner eines Landes vertritt ein Abgeordneter rein rechnerisch im Parlament? Die Rechnung ist einfach: Die Zahl der Einwohner geteilt durch die Zahl der Parlamentssitze. Und wenn man das so betrachtet, ergibt sich ein ganz anderes Bild.
Nur in fünf Ländern vertritt ein Abgeordneter mehr Einwohner
Demnach kommt heute ein Sitz im Bundestag auf 113.044 Einwohnerinnen und Einwohner. In gerade einmal fünf Ländern vertritt ein Parlamentarier noch mehr Menschen als in Deutschland: Italien, Türkei, Spanien, Frankreich und die Niederlande.
Und wenn in Deutschland die Zahl der Sitze auf 630 gesenkt werden sollte, käme man auf ein Verhältnis von einem Abgeordneten auf 132.064 Einwohner. Damit würde nur noch in drei Ländern (Italien, Türkei und Spanien) ein Abgeordneter mehr Menschen vertreten als in Deutschland.
Das Land mit einem Abgeordneten für gerade mal 562 Einwohner
Aktuell ist es in 40 europäischen Ländern so, dass ein Parlamentarier rechnerisch für weniger Menschen in seinem Land verantwortlich ist als in Deutschland. Dabei zeigt sich in der Regel: Je kleiner ein Land ist, desto weniger Einwohner müssen sich einen Abgeordneten rechnerisch teilen.
Krassestes Beispiel ist San Marino. Das Mini-Land hat zwar nur 60 Sitze in seinem Parlament, allerdings auch nur 33.745 Einwohner. Das heißt: Ein Angeordneter pro 562 Einwohnerinnen und Einwohner.
Von solchen sehr kleinen Ländern abgesehen gibt es aber auch durchaus Länder stattlicher Größe, bei denen deutlich weniger Einwohner auf einen Parlamentssitz kommen als in Deutschland. Dazu zählen etwa Belgien (77.267 Einwohner pro Parlamentssitz), Polen (82.065), Portugal (44.913), Schweden (29.857) und das Mutterland der Demokratie, Griechenland (35.467).