Corona-Impfung: Ärzte kritisieren Ausweitung der Berechtigungen

Eine Ärztin impft in einem Corona-Impfzentrum eine Patientin mit dem BioNTech-Pfizer-Impfstoff. © picture alliance/dpa
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Trotz der weiter anhaltenden Impfstoffknappheit und unsicherer Nachschublieferungen will die Bundesregierung den Kreis der Impfberechtigten in den kommenden Wochen sukzessive ausweiten. Am 7. Juni soll die Impfpriorisierung in den Hausarztpraxen aufgehoben werden, gleichzeitig sollen die Betriebsärzte und -ärztinnen, die derzeit lediglich im Rahmen von Modellversuchen impfen, voll in die Impfkampagne einsteigen.

Zusätzlich sollen sich vom 7. Juni an auch Kinder und Jugendlich ab zwölf Jahren gegen Corona impfen lassen können, wenn die EMA den Biontech-Impfstoff zulässt. Das haben Bund und Länder beim Impfgipfel am Donnerstag vereinbart.

Gleichzeitig warten noch immer viele Menschen, die einer Risikogruppe angehören und damit eigentlich eine hohe Impfpriorisierung haben, auf ihre Impfung. Zwar sind bundesweit bereits rund 70 Prozent der über 80-Jährigen vollständig geimpft, bei den Altersgruppen darunter sieht es jedoch schlechter aus.

Die Hälfte der 60- bis 69-Jährigen ist noch nicht geimpft

Rund 45 Prozent der 70- bis 79-Jährigen sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bislang noch nicht erstgeimpft. Bei den 60- bis 69-Jährigen hat sogar die Hälfte noch nicht die erste Spritze bekommen. Wie hoch die Impfquote bei Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Gesundheitssystems ist, wird vom RKI nicht erfasst.

Die Vorsitzende des Ärzteverbandes Marburger Bund, Susanne Johna, bezeichnete die Aufhebung der Impfpriorisierung durch die Politik im Interview mit dem Deutschlandfunk als „Wunsch, eine gute Nachricht zu überbringen, die letztendlich zu Frustration führen wird“.

Durch die Aufhebung der Priorisierung gebe es nicht mehr Impfstoff, sondern nur mehr Menschen, die um einen Impftermin konkurrieren. Es bestehe die Gefahr, so Johna, dass diejenigen eher an eine Impfung kommen, die besonders drängeln, als Menschen, die dringender geschützt werden müssten, weil sie ein höheres Risiko haben, schwer zu erkranken.

Benachteiligung auf dem Land und in ökonomisch schwachen Regionen

André Karch, Epidemiologe an der Uni Münster, kritisierte im MDR ebenfalls die Ausweitung der Impfungen. „Wir haben immer noch einen relevanten Teil der Risikogruppen, der noch nicht ausreichend geschützt ist.“

Statt die Priorisierung aufzuheben, müsse die Politik zusätzliche Ressourcen einsetzen, um die schwieriger zu erreichenden Teile der Bevölkerung zu impfen, sagt Karch. „Es geht jetzt um Personen, die nicht aktiv zur Impfung kommen, sondern die erreicht werden müssen.“ Dazu zählten zum Beispiel alte Menschen, die auf dem Land lebten.

Große regionale Unterschiede bei den Impfquoten

Neben Menschen aus dem ländlichen Raum sind auch jene, die in ökonomisch schwachen Gebieten leben, betroffen. Allgemeinmedizinerin Sybille Katzenstein, die im Berliner Bezirk Neukölln eine Covid-19-Schwerpunktpraxis betreibt, warnte in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstagabend davor, die RKI-Zahlen zu den Impfquoten falsch zu interpretieren.

In absoluten Zahlen sei ein Großteil der Älteren zwar bereits geimpft, dabei gebe es jedoch große regionale Unterschiede. In Berlin-Neukölln, so Katzenstein, seien zum Beispiel jüngsten Schätzungen zufolge noch rund 40 Prozent der über 80-Jährigen nicht erstgeimpft.

Unterschiede zwischen Bundesländern

Auch zwischen den einzelnen Bundesländern bestehen teils gravierende Unterschiede. So lag die Impfquote bei den vollständig geimpften 70- bis 79-Jährigen Mitte Mai in Hessen bei 5 Prozent, in Bremen hingegen bei 31 Prozent. Aktuell sind nach Angaben des RKI lediglich 32 Prozent der über 60-Jährigen in Mecklenburg-Vorpommern vollständig geimpft, in Bremen hingegen fast jeder Zweite aus dieser Altersgruppe.

Insgesamt wurden in Deutschland bislang rund 48,4 Millionen Impfdosen verabreicht, wie das RKI am Freitag (28. Mai) vermeldet. Damit sind 34,7 Millionen oder 41,7 Prozent der Deutschen mindestens einmal geimpft. Mehr als 13,6 Millionen oder 16,4 Prozent hätten bereits zwei Impfungen bekommen und verfügen somit über den vollen Impfschutz.

Der Artikel "Corona-Impfung: Ärzte kritisieren Ausweitung der Berechtigungen" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland