71-Jähriger erzählt vom Tanzsaal und Fischerhof
Evenkamp-Serie
In der dieser Folge der Evenkamp-Serie erinnert Raimund Langer an den Fischerhof, wo er 25 Jahre gewohnt hat. An die Sportfreunde, die später im WSC aufgegangen sind. Und an die Gaststätte mit Tanzsaal, die sein späteres Leben prägten. Das sind seine Erinnerungen.
Raimund Langer (71) ist mitten in der Kolonie aufgewachsen: Im Fischerhof an der Lippestraße wohnte er ein Vierteljahrhundert. Die Gaststätte mit Fest- und Tanzsaal, Bühne, Lebensmittelgeschäft, großem Dachboden und Gewölbekeller kannte er wie seine Westentasche. "Hier ist mein Faible für Antiquitäten geweckt worden", sagt der heutige Sammler.
Im Gewölbekeller des Fischerhofs trieb er sich umher, stöberte zwischen den Fässern für das Frischgezapfte, das über Schläuche zum Bierhahn in der Wirtschaft geführt wurde. Auf dem großen Dachboden stand altes Mobiliar aus dem Gasthaus. "Richtig urig sah das aus." Er denkt gerne an diese Zeit zurück.
Unten war die Wirtschaft mit Tanzsaal und Bühne, und oben drüber wohnte die Familie Langer. "Ich schaute den Musikern an der Balustrade zu, wie sie zur Tanzmusik aufspielten." Onkel Emil, einer der Wirtsleute, hatte am Wochenende Musiker zu Gast. "Er war ein weißhaariger älterer Herr, sehr gesittet", erzählt er. Raimund Langer kannte viele Wirte. Auch der spätere Vereinswirt des VfL Werne 27, Heinz Beyer, bediente im Fischerhof, bevor er an der Stockumer Straße sein eigenes Lokal eröffnete.
Die Gironi-Gaststätten
"Gironi dürfte auch noch vielen Werner Bürgern bekannt sein", meint Langer. Gironi hatte mehrere Gaststätten. Nach dem Fischerhof baute er sich den Laden des Baustoffhändlers Jürgen Rabe (Lippestraße) zur Kneipe um, und später hatte er eine eigene Wirtschaft an der Brachtstraße. Als Kind und Jugendlicher war Raimund Langer meist auf dem Bolzplatz an der Lippe zu finden.
Mit neun Jahren trat er in den VfL ein, spielte in der Schülermannschaft und später in der dritten Mannschaft. "In die Erste kam ich nicht rein." Er war enttäuscht und wechselte 1965 für ein Jahr nach Stockum. Danach trieb ihn eine neue Idee um.
Gemeinsam mit anderen Evenkämper Fußballfans gründete er eine Thekenmannschaft bei Tellenbach, spätere Gaststätte Rust an der Lippestraße. "Wir waren eine wilde Truppe." Sie spielten gegen andere Thekenmannschaften aus Rünthe, gegen den damaligen SSV und die zweite Mannschaft des VfL. Dann reifte die Idee zu einem neuen Verein immer mehr.
Gründung des Fußballvereins im Jahr 1967
Am 1. Juni 1967 gründeten sie dann im "Haus Tellenbach" den Fußballverein "Sportfreunde 67 Werne-West". Ein Jahr später zog der Verein mit seinem Vereinslokal ins "Haus Havers" an der Selmer Landstraße. Vorsitzender war Karl-Heinz Henser. Raimund Langer übernahm als Trainer bei den Sportfreunden in den 80er-Jahren die dritte und zweite Mannschaft.
In den 90er-Jahren kam er wieder zurück zum VfL Werne. Zu jener Zeit war der Fischerhof schon dem Erdboden gleichgemacht worden. Doch rechtzeitig hatte der Antiquitäten-Sammler die Bronze-Fenster mit Motiven aus dem Fußball und Bergbau gerettet. "Sie durften nicht auf den Schutt", hatte er sich geschworen und sie dem Museum 2006 für die Ausstellung "Werner Fußballgeschichte" übergeben.
Zur Person: Raimund Langer
Raimund Langer wurde am 2. April 1945 im Fischerhof an der Lippestraße geboren. Mit seinen Eltern Josephine und Wilhelm Langer lebte er in der oberen Wohnung des Fischerhofs, zuvor Restaurant Potthast. Die Mutter von August Potthast wohnte mit im Haus.
Viele Wirte hat Raimund Langer im Fischerhof erlebt: Schweer, Plachetka, Kubaum, Onkel Emil, Gironi, Heinz Beyer, Baron. 1967 gründete er mit anderen Evenkämpern "Sportfreunde Werne-West 67". Seit 2011 ist er Vorsitzender des SoVD.
Hintergrund: Wiege der Sportsfreunde
Auf eine lange Tradition blickt der Fußballsport.
- VfL Werne gründete sich auf Initiative der Bergleute 1927.
- BSG Rother ging 1962 aus der Betriebsgemeinschaft Rother, ehemalige Schnapsfabrik, hervor.
- Eintracht Werne 27/67: Hier verschmolzen 2007 die Vereine VfL Werne und BSG Rother.
- Sportfreunde 67 Werne-West gründete sich aus einer Thekenmannschaft 1967 im "Haus Tellenbach" an der Lippestraße.
- SSV Werne 16/25 (Spiel- und Sportverein Werne e. V. 16/25) war einst der Zusammenschluss der Sportvereine Werne (SV Werne 16) und der Spielvereinigung Werne (SpVg Werne 16/25).
- WSC 2000: Im Werner Sport Club 2000 e. V. fusionierten am 7. Dezember 1999 die beiden Vereine Sportfreunde 67 Werne-West und der SSV Werne 16/25.
Erinnerungen gesucht
Es gibt kaum einen Stadtteil in Werne, in dem die Menschen mit so viel Herzblut über alte Zeiten sprechen. Die Evenkämper waren stolz auf ihren Bezirk. Wir möchten die alten Zeiten wieder aufleben lassen und freuen uns, wenn Sie uns Ihre Geschichte erzählen und uns alte Fotos zur Verfügung stellen: Wer erinnert sich noch an „Lippe in Flammen“?
Schreiben Sie eine E-Mail an Helga.Felgentraeger@mdhl.de oder rufen Sie uns an unter Tel. (02389) 98 29 10.
Die Kolonie im Evenkamp: Als der Georgs-Marien-Bergwerks- und Hüttenverein (Osnabrück) 1911 die Zechensiedlung baute, nahm die Bevölkerung in der alten Bauerschaft explosionsartig zu. Aufgrund der Einwanderungswelle der Bergarbeiter entwickelte sich eine Infrastruktur – um die die jetzigen Evenkämper die früheren Bewohner heute noch beneiden.
Mit dem jüngsten Abriss der 100 Jahre alten Weihbachschule an der Stockumer Straße ist wieder ein Stück Evenkamp verloren gegangen. Aus diesem Anlass blicken wir auf die Geschichte der einstigen Kolonie zurück und stellen in loser Reihenfolge Zeitzeugen der Bergarbeitersiedlung vor.